Der Kauf eines Neuwagens kann durchaus eine große Investition sein. Doch wann ist ein Auto ein Neuwagen? Zu der Neuwageneigenschaft ist nun ein aktuelles Urteil ergangen, was in diesem Beitrag vorgestellt wird.

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Dr. Christian Meisl

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Neuwagen heißt fabrikneu

Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH (Bundesgerichtshof) liegt in der Bezeichnung eines Fahrzeugs als „Neuwagen“ die Zusicherung, dass ein Wagen „fabrikneu“ sei. Fabrikneu ist ein Auto jedenfalls dann, wenn es höchstens zwölf Monate vor dem Verkauf hergestellt und abgesehen von der Überführungsfahrt nicht benutzt worden ist. Das Modell dieses Kraftfahrzeugs muss zu diesem Zeitpunkt weiterhin unverändert hergestellt werden und das Kraftfahrzeug darf keine durch längere Standzeit bedingten Mängel aufweisen.
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In der Bezeichnung eines Kraftfahrzeugs als Neuwagen liegt die Zusicherung, das Auto sei fabrikneu. Das beudetet, dass das Auto nicht länger als 12 Monate nach Herstellung, ohne zwischenzeitliche Nutzung oder Mängel verkauft wird und das Modell zum Verkaufszeitpunkt unverändert hergestellt wird!
Doch ist unklar, wie streng die Standfrist von maximal zwölf Monaten auszulegen ist. Das OLG Frankfurt am Main musste sich unter anderem aktuell mit genau dieser Frage auseinandersetzen und entschied, dass es sich bei der vom BGH aufgestellten Zeitangabe nicht um eine taggenaue Frist handelt.

Das Urteil des OLG Frankfurt am Main

Das OLG entschied in dem Sachverhalt eines Autokaufs. Das gekaufte Kraftfahrzeug wurde nach seiner Herstellung an ein Autohaus in Österreich geliefert und von einem auf den Reimport von Fahrzeugen spezialisierten Unternehmen erworben und an die Beklagte verkauft. Diese bot den Wagen im Internet mit der Bezeichnung als „Lagerfahrzeug/sofort verfügbar/EU-Neufahrzeug mit Tageszulassung“ an. Dabei wurde die Käuferin und Klägerin nicht über den Erwerb des Autos von dem Zwischenhändler vor dem Kaufvertrag informiert. Daneben fand der Kauf zwölf Monate und zwei Tage nach der Herstellung statt. Die Klägerin wollte den Kauf rückabwickeln, weil sie nicht über den Zwischenhändler informiert wurde und der Wagen kein Neuwagen mehr sei.
Das OLG Frankfurt am Main gab der Klage nicht statt und stellte zunächst klar, dass ein Reimport grundsätzlich keine andere rechtliche Betrachtung eines Wagens erfordere. EU-Neuwagen sind deutschen Neuwagen gleichzustellen, da für Käuferinteressen auf dem Markt ein Zwischenkauf ohne eigene Nutzung ohne Belang ist. Allein deshalb, dass das Auto die vom BGH aufgestellte Standfrist von zwölf Monaten um zwei Tage überschritt, lässt seine Eigenschaft als Neuwagen nicht entfallen.
Der BGH wollte dem OLG nach einen nach Monaten bemessenen Zeitraum festlegen, um den Käuferinteressen Rechnung zu tragen. Hintergrund war, dass nach der Verkehrsanschauung eine längere Standzeit für die Wertschätzung eines Kraftfahrzeugs auf dem Markt von wesentlicher Bedeutung und eine lange Standdauer daher ein wertmindernder Faktor ist. Da für jedes Fahrzeug ein Alterungsprozess nach der Herstellung eintritt, verschlechtert sich die Beschaffenheit des Autos durch Materialermüdung, Oxydation und anderen physikalischen Veränderungen. Deswegen geht der BGH davon aus, dass im Regelfall eine Standzeit von über zwölf Monaten die Neuwageneigenschaft als fabrikneu entfallen lässt. Für das Vorliegen eines Regelfalls, muss es jedoch auch dem OLG Frankfurt nach tatsächlich zu einer wertmindernden Zustandsverschlechterung gekommen sein. Eine geringe Überschreitung von zwei Tagen ist alleine noch nicht rechtserheblich, weil das betroffene Fahrzeug aufgrund hoher Nachfrage eine gewisse Wertstabilität besitzt und deshalb von der Verkehrsauffassung noch nicht wertmindernd beurteilt wird. Das Käuferinteresse erfordert keine andere rechtliche Bewertung. Damit konnte sich der Käufer nicht vom Vertrag rückwirkend lösen.
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Eine Überschreitung der 12-Monate-Frist um 2 Tage kann dem OLG Frankfurt am Main nach alleine nicht dazu führen, dass das Auto kein Neuwagen mehr ist!

Auswirkungen auf die Praxis

Eine Rückabwicklung eines Autokaufs ist ein häufig vorkommender Fall in der Beratungspraxis. Einer besonderen Bedeutung kommt bei dem Erwerb eines Fahrzeugs der Verkehrsanschauung zu. Bestimmte Umstände wirken sich unmittelbar wertmindernd aus, allein weil dies der Verkehrsanschauung entspricht. Beispielsweise ist ein vollständig repariertes und funktionstüchtiges Kraftfahrzeug grundsätzlich allein deswegen weniger Wert, weil es sich um ein Unfallfahrzeug handelt. Dem Wagen haftet ein von außen nicht erkennbarer „merkantiler Minderwert“ an, der sich negativ auf den Verkaufswert des Autos auswirkt. Auch die Eigenschaft eines Neuwagens als „fabrikneu“ ist ein solcher wertbildender Umstand.
Damit einher geht ein besonders großes Missbrauchspotenzial von Verkäufern, die die zunächst nicht erkennbaren Umstände nicht aufdecken. Deswegen kommt es gerade bei Fahrzeugkäufen besonders häufig zu Rückabwicklungen, die rechtlicher Beratung bedürfen.
Das OLG Frankfurt sieht keinen Rückabwicklungsgrund, wenn das KFZ unbenutzt und ohne Standmängel lediglich zwei Tage länger als zwölf Monate nach Herstellung stand. Das überzeugt.
Doch andere Gerichte sehen das anders. Das OLG Hamm (OLG Hamm Az. 1-28 U 140/15) etwa, hält sich an die zwölf-Monate-Frist als taggenaue Standfrist und beurteilt dementsprechend die Neuwageneigenschaft. Das OLG Düsseldorf scheint der Richtung des OLG Frankfurt zu folgen (OLG Düsseldorf (Urteil vom 24.10.2005, Az. I-1 U 84/05). Die genaue Entwicklung in der Rechtsprechung bleibt also abzuwarten.

Unsere rechtliche Beratung

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Unsere Kanzlei ist mitunter auf das Zivilrecht und das Verkehrsrecht ausgerichtet. Wir stehen im engen Kontakt zu Werkstätten und wickeln regelmäßig rechtliche Streitigkeiten mit Bezügen zu diesen Rechtsgebieten ab. Dr. Christian Meisl ist nicht nur Fachanwalt für Verkehrsrecht, sondern auch ADAC-Vertragsanwalt und Compliance Officer (TÜV) und bringt somit eine besondere Expertise auf diesem Gebiet mit.
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