Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, eine zweispurige Straße zu einem Fahrstreifen zusammenzuführen. Hierbei ist eine erhöhte Aufmerksamkeit der Verkehrsteilnehmer erforderlich, denn je nach Verkehrszeichen gelten nämlich andere Vorfahrtsregeln. Diese müssen eingehalten werden und werden insbesondere dann relevant, wenn es in einem solchen Bereich zum Unfall kommt und es um die Schadensregulierung geht. Wir geben einen Überblick über die Unterschiede und erklären, wer die Vorfahrt hat.

Einseitig verengte Fahrbahn

In diesem Fall wird klar vorgegeben, dass entweder der linke oder der rechte Fahrstreifen endet, wohingegen der andere unverändert weiterführt. Hier haben grundsätzlich diejenigen Verkehrsteilnehmer die Vorfahrt, die den durchgehenden Fahrstreifen befahren. Es ist aber das Reißverschlussverfahren anzuwenden. Dies ist in § 7 Abs. 4 StVO festgeschrieben. Darin heißt es:

„Ist auf Straßen mit mehreren Fahrstreifen für eine Richtung das durchgehende Befahren eines Fahrstreifens nicht möglich oder endet ein Fahrstreifen, ist den am Weiterfahren gehinderten Fahrzeugen der Übergang auf den benachbarten Fahrstreifen in der Weise zu ermöglichen, dass sich diese Fahrzeuge unmittelbar vor Beginn der Verengung jeweils im Wechsel nach einem auf dem durchgehenden Fahrstreifen fahrenden Fahrzeug einordnen können (Reißverschlussverfahren).“

Beidseitig verengte Fahrbahn

Dieses Verkehrszeichen weist darauf hin, dass beide Fahrstreifen einer zweispurigen Fahrbahn miteinander „verschmelzen“. Es gibt somit keinen durchgehenden und einen endenden Fahrstreifen, sondern beide werden in eine Fahrspur überführt. Wer in einer solchen Situation Vorfahrt hat, musste zuletzt der Bundesgerichtshof (=BGH) klarstellen (BGH, Urteil vom 08.03.2022 – VI ZR 47/21).

Der Fall

An einer Straße mit zwei Fahrstreifen wies das Verkehrszeichen „verengte Fahrbahn“ darauf hin, dass der linke Fahrstreifen enden sollte. Auf dem rechten Fahrstreifen fuhr ein Auto, auf dem linken hingegen ein Lastkraftwagen. Der Fahrer des LKW wollte die Fahrspur wechseln und lenkte er nach rechts. Während der LKW-Fahrer das Auto übersah, ging der Autofahrer allerdings davon aus, dass er Vorfahrt gehabt habe. Dadurch kam es zum Verkehrsunfall, bei dem beide Fahrzeuge beschädigt wurden.

Das Urteil

Sowohl das Amtsgericht als auch das Landgericht nahmen eine Haftungsverteilung von 50:50 an. Der Halter des Autos legte dagegen beim BGH die Revision ein, hatte damit jedoch keinen Erfolg. Der BGH schloss sich vielmehr der Ansicht seiner Vorinstanzen an, bestätigte damit die hälftige Schadensverteilung und lehnte die hundertprozentige Haftung des LKW-Fahrers ab.
Grund dafür ist, dass bei dem Verkehrszeichen „beidseitig verengte Fahrbahn“ das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme gem. § 1 StVO gilt. Darin heißt es:

(1) Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht.
(2) Wer am Verkehr teilnimmt hat sich so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.

Es ist also nicht festgeschrieben, dass konkret einer der beiden Fahrstreifen Vorfahrt hätte. Wörtlich heißt es hierzu in der Entscheidung des BGH:

„Grundsätzlich und insbesondere in dem Fall, dass beide Fahrzeuge vor einer Fahrbahnverengung gleichauf und mit gleicher Geschwindigkeit führen, bedürfe es besonderer gegenseitiger Aufmerksamkeit, Besonnenheit und Geistesgegenwärtigkeit, um eine Abstimmung über das Einordnen vor- bzw. hintereinander zu erzielen. Im Zweifel seien die Verkehrsteilnehmer gehalten, jeweils dem anderen den Vorrang einzuräumen.

Nach Ansicht des BGH hätte aber eine andere Haftungsquote aus einem anderen Grund angenommen werden können: Bei einem Pkw und Lkw kann die Gewichtung der Betriebsgefahren unterschiedlich hoch ausfallen. Da hierzu jedoch keine ordnungsgemäß ausgeführte Verfahrensrüge erhoben wurde, müsse davon ausgegangen werden, dass keine erhöhte Betriebsgefahr zu berücksichtigen sei. Im Ergebnis bleibt es in diesem Fall also bei einer Haftungsverteilung von 50:50.