In kürzester Zeit haben zwei aktuelle Gerichtsentscheidungen für erhebliches Aufsehen im Dieselskandal gesorgt. Hier erfahren Sie, was es nun mit dem Thermofenster auf sich hat und welche Rolle das Kraftfahrt-Bundesamt im Abgasskandal spielt.

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Keine Zulassung mit Thermofenster

Thermofenstersind illegal. Kraftfahrzeuge mit Thermofenster dürfen nicht zum Straßenverkehr zugelassen werden. Das urteilte das deutsche Verwaltungsgericht Schleswig (VG Schleswig) und bestätigt damit die EuGH-Rechtsprechung. Das aus juristischer Sicht kaum überraschende Urteil reiht sich in die verbraucherfreundliche Richtung der nationalen und europäischen Rechtsprechung ein.
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Mit „Thermofenster“ ist eine illegale Abschaltsoftware gemeint, die die Abgasregulierung nur in einem bestimmten Temperaturfenster vornimmt.
Das VG Schleswig gab der Klage der Deutschen Umwelthilfe (DUH) gegen die Zulassung eines Kraftfahrzeugs mit Thermofenster statt. Im vorliegenden Fall hatte VW einem Fahrzeug im Zuge einer versuchten Nachbesserung ein Thermofenster aufgespielt. Da das Thermofenster nach eindeutiger und wiederholter Rechtsprechung des EuGH rechtswidrig ist, erstaunte es umso mehr, dass das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) das Fahrzeug dennoch zuließ. Gegen diese Zulassung wehrte sich die DUH mit Erfolg. Die Folge: Die Zulassung wurde aufgehoben. Das Fahrzeug muss nachgerüstet werden, damit es im Straßenverkehr zulässig ist.
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Eine Zulassung zum Straßenverkehr von Fahrzeugen mit Thermofenster ist rechtswidrig!

EuGH: Ansprüche bei Thermofenster

Der EuGH setzt seine käuferfreundliche Rechtsprechung fort und eröffnet nun ganz neue Möglichkeiten, um Schadensersatz zu verlangen. Bisher verlangte die deutsche höchstrichterliche Rechtsprechung eine vorsätzliche und sittenwidrige Schädigung der Hersteller, um einen Schadensersatzanspruch zu begründen. Bei Thermofenster verneinte der BGH sogar einen Anspruch.
Der EuGH schiebt dieser Rechtsprechungspraxis einen Riegel vor und vereinfacht die Voraussetzungen für den Schadensersatz erheblich! Nach Ansicht des EuGH schützen die unionsrechtlichen Vorgaben über die Abgasemissionen auch die Individualinteressen der Käufer. Damit reicht bereits allein der fahrlässige Verstoß gegen diese Vorgaben aus, um einen Schadensersatzanspruch zu begründen.
Bei einem großen Fahrzeug- oder Motorhersteller, der die Regularien freilich kennen muss, ist der Nachweis eines fahrlässigen Verhaltens damit leicht geführt.
Auch bezieht sich der EuGH in seinem Urteil gerade auf Fahrzeuge mit Thermofenster. Er bezieht die Thermofenster also unmittelbar in den Abgasskandal ein und stellt damit verbindlich fest, dass diese einen Schadensersatzanspruch begründen. Auch die deutschen Gerichte und Behörden müssen sich nun daran unmittelbar halten.
Daneben sorgte der EuGH zusätzlich dafür, dass die Vorteilsausgleichsansprüche der Hersteller geringer ausfallen müssen. Früher wurde dadurch die Höhe des Schadensersatzes in hohem Maße verringert. Nun findet eine solche Reduzierung der Ansprüche nicht mehr statt.
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Also: Höhere Ansprüche und wesentlich leichtere Voraussetzungen!

BGH folgt EuGH

Aktuell hat sich der BGH der EuGH-Rechtsprechung angenommen und ebenfalls einen unmittelbaren Schadensersatzanspruch bei Thermofenstern angenommen. In der aktuellen Verhandlung vor dem deutschen Gericht wird deutlich, dass der BGH nicht mehr an seine alte Rechtsprechung festhalten will. Die letzten Weichen für die kommende zweite Klagewelle scheinen gestellt. Das Endurteil des BGH wird deswegen mit Spannung erwartet.

Auswirkungen auf die Praxis

Die Tragweite der Entscheidungen kann nicht unterschätzt werden. Durch das Urteil des VG Schleswig wird die Praxis des Kraftfahrt-Bundesamt, das auch Fahrzeuge mit Thermofenster in junger Vergangenheit zuließ, als rechtswidrig eingestuft. Weitere Klagen gegen eine Vielzahl von Zulassungen bzw. massenhafte Rückruf- bzw. Umrüstungsaktionen stehen im Raum. Betroffen sind nicht nur Fahrzeuge, denen von VW eine Software als Nachbesserung aufgespielt wurden. Auch viele weitere Modelle sind mit Thermofenstern versehen.
Der EuGH stellt sich offen gegen die Rechtsprechung des deutschen Bundesgerichtshofs (BGH), der zum einen eine sittenwidrige Schädigung für einen Anspruch verlangte und zum anderen, einen solchen Anspruch bei Thermofenstern ablehnte. Der EuGH behält jedoch das letzte Wort und gestaltet -auch für den BGH– die Rechtslage verbindlich neu. Was der EuGH urteilt, gilt unmittelbar! Fahrzeuge mit Thermofenster werden einen erheblichen Umfang der neuen Dieselskandal-Klagen ausmachen.
Es verwundert also nicht, dass in der Presse von einem „Dieselskandal 2.0“ gesprochen wird!

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