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Erkranken Sie häufiger oder länger und arbeiten in einem Kleinbetrieb, stehen Sie vor besonderen rechtlichen Herausforderungen. Anders als in größeren Unternehmen genießen Arbeitnehmer in Betrieben mit bis zu zehn Mitarbeitern keinen allgemeinen Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG). Dies bedeutet jedoch nicht, dass Ihr Arbeitgeber Sie ohne jede Rechtfertigung kündigen kann.
Die Kündigung wegen Krankheit ist ein komplexes Rechtsgebiet, das sowohl arbeitsrechtliche als auch sozialrechtliche Aspekte umfasst. Gerade in Kleinbetrieben, wo jeder Mitarbeiter eine wichtige Rolle spielt, führen krankheitsbedingte Ausfälle schnell zu betrieblichen Problemen. Dennoch sind auch hier bestimmte rechtliche Grenzen zu beachten.
Für Arbeitnehmer in Kleinbetrieben ist es daher umso wichtiger, ihre Rechte zu kennen und bei einer drohenden oder bereits ausgesprochenen Kündigung professionelle Unterstützung zu suchen. Nur so können Sie sicherstellen, dass Ihre Interessen angemessen vertreten werden.
Ihre Ansprechpartnerin

Katharina Riedl

Dr. Christian Meisl

Sebastian Kleber
Das Wichtigste im Überblick:
- Kündigungsschutzgesetz gilt nicht in Kleinbetrieben – Arbeitnehmer haben weniger Schutz vor krankheitsbedingten Kündigungen
- Krankheit allein rechtfertigt keine Kündigung – Der Arbeitgeber muss erhebliche Beeinträchtigungen nachweisen
- Abmahnung ist bei krankheitsbedingter Kündigung nicht erforderlich – Anders als bei verhaltensbedingten Kündigungen
Rechtliche Grundlagen: Was gilt in Kleinbetrieben?
Definition des Kleinbetriebs
Als Kleinbetrieb gelten nach § 23 Abs. 1 Satz 2-4 KSchG Unternehmen, die in der Regel nicht mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigen, wobei bestimmte Arbeitnehmergruppen bei der Berechnung unberücksichtigt bleiben oder anteilig gezählt werden. Bei der Berechnung werden Auszubildende nicht mitgezählt, Teilzeitbeschäftigte werden anteilig berücksichtigt. Arbeitnehmer, die bereits vor dem 1. Januar 2004 im Betrieb beschäftigt waren, werden mit dem Faktor 1,0 gewertet, während für sie eine Grenze von fünf Arbeitnehmern gilt.
Kündigungsschutz in Kleinbetrieben
In Kleinbetrieben gilt das Kündigungsschutzgesetz nicht. Dies bedeutet, dass der Arbeitgeber grundsätzlich keine soziale Rechtfertigung für eine Kündigung nachweisen muss. Dennoch ist er nicht völlig frei in seiner Entscheidung. Auch in Kleinbetrieben greifen verschiedene gesetzliche Schutzvorschriften.
Der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) impliziert einen allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz, der willkürliche Kündigungen verbietet, indem er eine differenzierte und sachgerechte Behandlung der Arbeitnehmer erfordert. Zudem gelten die besonderen Kündigungsverbote und -beschränkungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie spezieller Gesetze weiterhin. Das Maßregelungsverbot nach § 612a BGB schützt vor Kündigungen aufgrund der Geltendmachung von Rechten.
Entgeltfortzahlungsgesetz als Schutzschild
Das Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) gewährt jedem Arbeitnehmer, unabhängig von der Betriebsgröße, Anspruch auf Entgeltfortzahlung bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit. Der Schutz vor Kündigung wegen Entgeltfortzahlung ergibt sich aus anderen arbeitsrechtlichen Bestimmungen, insbesondere aus dem Maßregelungsverbot nach § 612a BGB, das vor Benachteiligungen aufgrund der Geltendmachung von Rechten schützt.
Voraussetzungen für eine rechtmäßige krankheitsbedingte Kündigung
Erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen
Der Arbeitgeber muss weiterhin nachweisen, dass die zu erwartenden Fehlzeiten zu einer erheblichen Beeinträchtigung seiner betrieblichen oder wirtschaftlichen Interessen führen. In Kleinbetrieben ist diese Hürde oft niedriger als in größeren Unternehmen, da bereits der Ausfall eines Mitarbeiters erhebliche Auswirkungen haben kann.
Zu den beeinträchtigten Interessen können gehören: Störungen des Betriebsablaufs, Mehrkosten durch Vertretungsregelungen, Verlust von Aufträgen oder Kunden, sowie die Gefährdung der Betriebsexistenz. Der Arbeitgeber muss diese Beeinträchtigungen konkret darlegen und nicht nur behaupten.
Interessenabwägung
Selbst wenn erhebliche betriebliche Beeinträchtigungen vorliegen, ist eine Kündigung nicht automatisch gerechtfertigt. Es muss eine umfassende Interessenabwägung zwischen den Interessen des Arbeitgebers und den schutzwürdigen Interessen des Arbeitnehmers stattfinden.
Dabei sind zu berücksichtigen: Die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter des Arbeitnehmers, seine familiären Verpflichtungen, die Chancen auf dem Arbeitsmarkt und die Schwere der Erkrankung. Auch mildere Mittel wie eine Versetzung oder eine Änderung der Arbeitsbedingungen müssen geprüft werden.
Typische Fallkonstellationen und Lösungsansätze
Langzeiterkrankungen
Bei Langzeiterkrankungen steht die Frage im Vordergrund, ob eine Rückkehr an den Arbeitsplatz in absehbarer Zeit möglich ist. Dauert eine Erkrankung bereits mehrere Monate an, ohne dass eine Besserung in Sicht ist, kann dies eine Kündigung rechtfertigen. Der Arbeitgeber muss jedoch nachweisen, dass auch in Zukunft nicht mit einer Arbeitsleistung zu rechnen ist.
Besonders bei schweren Erkrankungen oder chronischen Leiden ist eine sorgfältige Prognose erforderlich. Oft können medizinische Gutachten oder Stellungnahmen behandelnder Ärzte Klarheit schaffen. Wichtig ist, dass der Arbeitnehmer seine Mitwirkungspflicht erfüllt und entsprechende Auskünfte erteilt.
Arbeitsplatzbedingte Erkrankungen
Besonders problematisch sind Fälle, in denen die Erkrankung auf die Arbeitsbedingungen zurückzuführen ist. Hier kann eine Kündigung unverhältnismäßig sein, wenn der Arbeitgeber durch Änderungen am Arbeitsplatz oder der Arbeitsorganisation Abhilfe schaffen könnte. Gerade in Kleinbetrieben sind solche Anpassungen oft einfacher umsetzbar als in größeren Unternehmen.
Praktische Tipps für Betroffene
Dokumentation und Nachweise
Als Arbeitnehmer in einem Kleinbetrieb sollten Sie alle krankheitsbedingten Ausfälle sorgfältig dokumentieren. Bewahren Sie alle Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen auf und führen Sie eine Übersicht über die Erkrankungstage. Dies hilft Ihnen später bei der Beurteilung, ob eine Kündigung gerechtfertigt sein könnte.
Wichtig ist auch, dass Sie Ihre Anzeige- und Nachweispflichten ordnungsgemäß erfüllen. Informieren Sie Ihren Arbeitgeber unverzüglich über Ihre Arbeitsunfähigkeit und reichen Sie die Bescheinigung fristgerecht ein. Versäumnisse können zu Abmahnungen oder sogar zur Kündigung führen.
Frühzeitige Kommunikation
Sprechen Sie mit Ihrem Arbeitgeber offen über Ihre gesundheitlichen Probleme, soweit dies zumutbar ist. Oft können gemeinsam Lösungen gefunden werden, die sowohl Ihren Bedürfnissen als auch den betrieblichen Anforderungen gerecht werden. Dies kann die Anpassung der Arbeitszeiten, eine Versetzung oder die Bereitstellung ergonomischer Hilfsmittel umfassen.
Wenn Sie mit einer längeren Erkrankung rechnen, informieren Sie Ihren Arbeitgeber rechtzeitig über die voraussichtliche Dauer. Dies ermöglicht es ihm, angemessene Vorkehrungen zu treffen und zeigt Ihre Kooperationsbereitschaft.
Betriebliches Eingliederungsmanagement
Auch in Kleinbetrieben ist der Arbeitgeber nach § 167 Abs. 2 SGB IX verpflichtet, ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) durchzuführen, wenn ein Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen arbeitsunfähig war, sofern der Arbeitnehmer zustimmt. Dieses Angebot sollten Sie ernst nehmen und annehmen.
Das BEM-Verfahren bietet die Chance, gemeinsam mit dem Arbeitgeber Lösungen zu finden, wie Ihre Arbeitsfähigkeit wiederhergestellt oder erhalten werden kann. Gleichzeitig schafft es für Sie einen gewissen Schutz vor einer krankheitsbedingten Kündigung, da der Arbeitgeber die Durchführung eines BEM-Verfahrens nachweisen muss.
Checkliste: Vorgehen bei drohender Kündigung
Sofortmaßnahmen:
- Alle Unterlagen zu Erkrankungen sammeln
- Arbeitsvertrag und Betriebsvereinbarungen prüfen
- Kündigungsfristen beachten
- Rechtliche Beratung suchen
Prüfpunkte:
- Liegt ein Kleinbetrieb vor?
- Wurden Kündigungsfristen eingehalten?
- Gibt es besondere Kündigungsverbote?
- War ein BEM-Verfahren erforderlich?
Verteidigungsstrategien:
- Betriebliche Beeinträchtigungen hinterfragen
- Mildere Mittel vorschlagen
- Interessenabwägung zu Ihren Gunsten führen
Ihre Rechte auch im Kleinbetrieb wahrnehmen
Auch wenn Sie in einem Kleinbetrieb arbeiten, sind Sie nicht schutzlos einer krankheitsbedingten Kündigung ausgeliefert. Zwar gelten hier nicht die strengen Regeln des Kündigungsschutzgesetzes, dennoch muss Ihr Arbeitgeber bestimmte Voraussetzungen erfüllen und eine sorgfältige Interessenabwägung vornehmen.
Wichtig ist, dass Sie frühzeitig aktiv werden und sich nicht scheuen, Ihre Rechte geltend zu machen. Eine krankheitsbedingte Kündigung ist auch im Kleinbetrieb kein Automatismus, sondern bedarf einer sorgfältigen rechtlichen Prüfung.
Wenn Sie eine Kündigung wegen Krankheit erhalten haben oder eine solche befürchten, sollten Sie nicht zögern, sich professionelle Unterstützung zu holen. Nur so können Sie sicherstellen, dass Ihre Interessen angemessen vertreten werden und alle rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft werden.