Die neue Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zum sogenannten „Thermofenster“ stellt eine weitere Entwicklung im Komplex „Dieselskandal“ dar. Darin wurde entschieden, dass eine Software, die die Wirkung des Emissionskontrollsystems bei bestimmten Temperaturen reduziert, grundsätzlich als unzulässige Abschaltvorrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 gilt. Verbraucher mit betroffenen Fahrzeugen können unter Umständen Ansprüche auf Nachbesserung, Neulieferung oder Schadensersatz haben.

Wesentliche Aussagen des Urteils

Drei österreichische Gerichte haben im Laufe ihres Verfahrens dem EuGH die Problematik vorgelegt. Geklärt werden sollte, ob eine Vorkehrung mit Thermofenster eine rechtserhebliche Abschaltvorrichtung sei.

In den betroffenen Fahrzeugen wurde nur bei Temperaturen zwischen 15 und 33 Grad Celsius der Richtwert für den Ausstoß von Stickstoffoxid eingehalten. Diese Temperaturspanne bezeichnet der Gerichtshof als Thermofenster. Außerhalb dieses Thermofensters werden die Grenzwerte für die Abgase überschritten.

Dieses Thermofenster selber beruht auf die vorgenommenen Softwareaktualisierungen der EA-189-Fahrzeuge, die von VW zum Austausch einer anderen rechtswidrigen Software durchgeführt wurden. Das deutsche Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) hatte diese Aktualisierung allerdings zunächst genehmigt.

Der EuGH hat nun geurteilt, dass diese Thermofenstervorrichtung grundsätzlich gegen Unionsrecht verstößt, da sie als unzulässige Abschaltvorrichtungen nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 gilt. Das ergibt sich daraus, dass in europäischen Ländern typischerweise Temperaturen außerhalb dieses Fensters herrschen. Dass diese Einrichtung eine Schonung von Anbauteilen wie Abgasrückführventil, AGR-Kühler und Dieselpartikelfilter beiträgt, kann alleine keine Rechtfertigung bewirken.

Ausnahmsweise rechtmäßig kann diese Vorrichtung nur sein, wenn sie ausschließlich notwendig ist, um bestimmte Risiken durch die Fehlfunktion dieser Bauteile für den Motor zu verhindern. Das setzt allerdings voraus, dass diese Risiken so schwer wiegen, dass sie eine konkrete Gefahr bei dem Betrieb der betroffenen Fahrzeuge darstellen. Dafür reicht ein Schutz des Motors vor Verschmutzung oder Verschleiß nicht aus. Die „Thermofenster-Software“ müsste als einzig technische Möglichkeit für die Risikovermeidung zur Verfügung gestanden haben. Diese Feststellung hat der EuGH den nationalen Gerichten überlassen.

Dennoch kann dann von einer unionsrechtswidrigen Abschaltvorrichtung jedenfalls ausgegangen werden, wenn diese unter normalen Betriebsbedingungen im Großteil des Jahres funktioniert und eine Grenzüberschreitung der Emissionswerte nicht mehr die Ausnahme bildet. Dass diese Einrichtung erst nachträglich in die Fahrzeuge eingebaut wurde, ist dabei unerheblich.

Besonders hervorzuheben ist die Einstufung des Thermofensters als Sachmangel gemäß §434 BGB. Auf diesen können sich Verbraucher stützen und Gewährleistungsrechte geltend machen.

Bedeutung für Betroffene

Sollten Sie als Käufer eines Fahrzeuges mit eingebauten EA-189-Motoren betroffen sein, haben Sie unter bestimmten Voraussetzungen einen gewährleistungsrechtlichen Anspruch auf Nachbesserung, Neulieferung, Minderung, Vertragsrückabwicklung oder Schadensersatz. Weiterhin könnte ein vertragsunabhängiger Schadensersatzanspruch aus Delikt gegen die Hersteller bestehen. Da diese Rechte der Verjährung unterfallen, ist es wichtig schnell rechtliche Beratung einzuholen.

Die neue Richtung der EuGH-Rechtsprechung wird wohl eine Wende für die deutsche höchstrichterliche Rechtsprechung sein und vereinfacht für Verbraucher die Geltendmachung ihrer Rechte. Insbesondere wird erwartet, dass sich der EuGH der Rechtsauffassung des EuGH-Generalanwalts anschließt und in Zukunft fahrlässige Rechtsverstöße haftungsrelevant sein können. Damit geht eine erhebliche Beweiserleichterung im Prozess einher. Im Einzelfall müssen jedoch die maßgeblichen Tatbestandsvoraussetzungen des jeweiligen Anspruches dargelegt werden.

Für Fahrzeuge mit Thermofenster muss konkret geprüft werden, ob es sich dabei um eine notwendige Schutzvorkehrung für den Motor handelt. Daneben bleibt abzuwarten, ob das Kraftfahrt-Bundesamt Rückrufe anordnet.

Unsere rechtliche Unterstützung

Trotz der verbraucherfreundlichen Rechtsprechung sehen sich Kläger, die ihre Rechte wegen der Abschaltvorrichtung vor Gericht verfolgen, einem großen Konzern gegenüber. Zur optimalen Rechtsdurchsetzung bedarf es daher eines kompetenten und qualifizierten Rechtsbeistands als Gegenpart, um gleiche Verhältnisse zu schaffen.

Die Kanzlei Dr. Meisl RECHTSANWÄLTE ist unter anderem auf zivilrechtliche Auseinandersetzungen spezialisiert. Als Fachanwalt unter anderem im Verkehrsrecht ist Dr. Meisl mit seinem Team regelmäßig in Rechtsgebieten tätig, die Berührungspunkte zu den aufgezeigten Problematiken haben. Durch seine Weiterqualifikationen als Compliance-Officer (TÜV) und ADAC Vertragsanwalt hat sich Dr. Meisl eine Expertise aufgebaut, die Ihnen in Ihrer Rechtsverfolgung zugutekommt. Somit kann den großen Konzernen bei der Rechtsdurchsetzung auf Augenhöhe begegnet werden.