In einem aktuellen Urteil hat sich der BGH zu der Berechnung von Schmerzensgeld geäußert und die taggenaue Berechnungsmethode verworfen. Wie die Berechnung von Teilen der Instanzgerichte vorgenommen wurde und wie sie nun stattfinden soll, erfahren Sie in diesem Beitrag.

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Sebastian Kleber

Rechtsanwalt und Experte für Personenschäden

Wie wurde früher das Schmerzensgeld berechnet?

Grundsätzlich ist die Höhe des Schmerzensgelds vom Gericht zu schätzen. Bislang wandte ein Teil der Rechtsprechung in Deutschland, unter anderem das OLG Frankfurt a. M., eine Berechnung für die Höhe von Schmerzensgeld in drei Schritten an.

1. Schritt

Auf der ersten Stufe werden für die Anzahl der Behandlungstage Tagessätze ermittelt. Die Höhe der Tagessätze ergibt sich aus den jeweiligen Behandlungsphasen (Intensivstation, Normalstation, stationäre Reha-Maßnahme, ambulante Behandlung, zuhause oder Dauerschaden) und den damit einhergehenden Lebensbeeinträchtigungen. Je schwerwiegender die Behandlungsphase ist, desto höher ist der Tagessatz. Das OLG Frankfurt hat in seinem Urteil etwa einen Tagessatz von 150 Euro für die Behandlung auf der Intensivstation und 100 Euro für den Aufenthalt auf der normalen Station angesetzt.

2. Schritt

Auf der zweiten Stufe werden individuelle Zu- und Abschläge der Summe gemacht, beispielsweise bei einer geringen Lebenserwartung.

3. Schritt

Zuletzt werden Zuschläge für individuelle Besonderheiten, etwa für Dauerschäden gemacht.

Urteil des BGH

Als Sachverhalt lag dem BGH ein tragischer Verkehrsunfall zugrunde. Ein Rettungssanitäter wurde als Unfallhelfer von einem ins Schleudern geratenen PKW auf dem Seitenstreifen der Autobahn erfasst. Der Sanitäter erlitt erhebliche Verletzungen und musste dreizehn Mal, mit einem Gesamtaufenthalt von 500 Tagen stationär im Krankenhaus behandelt werden. Er musste sich dabei mehreren Operationen unterziehen, unter anderem einer Amputation des Unterschenkels. Er wurde durch den Unfall zu mindestens 60% in seiner Erwerbsfähigkeit gemindert.
Der BGH sprach sich in seinem Urteil gegen eine taggenaue Berechnung von Schmerzensgeld aus. Maßgebend für die Höhe des Schmerzensgeldes sei
„im Wesentlichen die Schwere der Verletzungen, das durch diese bedingte Leiden, dessen Dauer, das Ausmaß der Wahrnehmung der Beeinträchtigung durch den Verletzten und der Grad des Verschuldens des Schädigers.“
Dem BGH nach kann die Höhe des Schmerzensgelds nicht nach einer rein schematischen Berechnungsmethode bestimmt werden, um dem individuellen Einzelfall gerecht werden. Das lasse schon der Wille des Gesetzgebers erkennen, der eine „billige Entschädigung“ in Geld fordert.
Durch die schematische Berechnungsmethode lässt das Berufungsgericht maßgebliche Umstände außer Acht, die stattdessen für die korrekte Berechnung von Schmerzensgeld relevant sind.
Die Konzentration auf „allgemeingültige Parameter“ für die Bestimmung der Entschädigung ist lebensfremd. Vielmehr sollte auf die konkrete Verletzung des Geschädigten an sich, die angewandten Behandlungsmethoden und das insgesamt erlittene individuelle Leid des Opfers abgestellt werden.
Das Kriterium der Behandlungsart nach Stationen im Krankenhaus ist unscharf, da etwa die stationäre Behandlung aus einem bloßen Krankheitsverdacht ohne (noch) zu spürendes Leid ärztlich angeordnet werden kann. Außerdem kann ein und dieselbe Verletzung für verschiedene Menschen komplett andere Auswirkungen und unterschiedlich empfundenes Leid verursachen.
Der Grad der Schädigungsfolgen kann nicht aus einer isolierten Betrachtung der körperlich und/oder psychischen Defizite bestimmt werden, sondern bedarf einer Gesamtbetrachtung der individuellen Lebensumstände. Eine Handamputation für einen professionellen Pianisten, der sich beruflich umorientieren muss, hat zum Beispiel einen anderen Schädigungsgrad, als für jemanden, der eine Bürotätigkeit ausübt.

Eine Rangordnung der Kriterien der Schmerzensdauer (hinsichtlich der verbleibenden Lebenserwartung) und der Größe bzw. Heftigkeit der Schmerzen kann nicht aufgestellt werden. Auch von der Referenzgröße des Bruttonationaleinkommens für die Schmerzensgeldberechnung muss Abstand genommen werden, da sie jeden systematischen Bezug zum individuellen Fall vermissen lässt. Das Schmerzensgeld muss nach individuellen Lebensbeeinträchtigungen des Geschädigten bemessen und nicht an das Durchschnittseinkommen als „Gleichheit vor dem Schmerz“ gekoppelt werden.

Konsequenzen für die Praxis

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Entscheidungen des BGH zur Berechnung von Schmerzensgeld sind sehr selten und werden sonst großteils von den Tatgerichten getroffen. Ein BGH-Urteil in diesem Rechtsgebiet hat dementsprechend eine besonders herausragende Bedeutung. Der BGH hat in seiner Entscheidung die Lösung nach dem Wortlaut des Gesetzes, weg von einer schematischen Berechnung für die Schmerzensgeldbemessung betont. Das Bundesgericht stellt fest, dass das Ausmaß der Schmerzen nicht von objektiv messbaren Kriterien, sondern von dem individuellen Empfinden und den Beeinträchtigungen des Einzelnen abhängt. Es wird zugrunde gelegt, dass eben jeder Mensch Schmerzen unterschiedlich wahrnimmt und Personenschäden für jeden Betroffenen unterschiedliche Auswirkungen hat. Aus einer Einzelfallperspektive erscheint dies gerecht.
Allerdings geht mit der höchstrichterlichen Entscheidung eine gewisse Rechtsunsicherheit einher. Die Bemessung des Schmerzensgelds wird vor einem Prozess schwerer zu prognostizieren sein.

Unsere rechtliche Beratung

Da das Personenschadensrecht und das Schmerzensgeldrecht Schwerpunkte in unserem Tätigkeitsspektrum ausmachen, konnte die Kanzlei Dr. Meisl RECHTSANWÄLTE umfangreich Erfahrungen in dieser Materie sammeln. Erfolgreich haben wir uns schon zahlreichen Fällen mit Personenschäden und Schmerzensgeldansprüchen angenommen.
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Gerade die Konstellation eines Verkehrsunfalls mit einem Personenschaden und einer versicherungsrechtlichen Auseinandersetzung zur Durchsetzung eines Schmerzensgeldanspruches ist ein Gebiet, auf das wir uns spezialisiert haben.
Aus unserer praktischen Erfahrung lässt sich sagen, dass es nun noch mehr auf den präzisen Vortrag des Geschädigten zu seinem Leid und dessen Auswirkungen, den medizinischen Gutachten und rechtlicher Expertise ankommt. Bei außergerichtlichen Auseinandersetzungen gilt es umso mehr, einen kompetenten Rechtsbeistand zur Seite zu haben, der die individuellen Umstände des Geschädigten einordnet. Mangels grundsätzlicher Vergleichbarkeit von erlittenem Leid und anderen Sachverhalten lässt sich für Betroffene ohne Hilfe grundsätzlich recht schwer die Höhe eines möglichen Schmerzensgeldanspruches einschätzen.
Wir wollen Ihnen als Betroffenen gerne weiterhelfen. Wenden Sie sich gerne an uns und vereinbaren Sie ein kostenloses Erstgespräch. Wir sind Ihnen in dieser schwierigen Situation behilflich!